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Expertengruppe schlägt Reform des Heilpraktikerberufs vor

 

Montag, 21. August 2017

Münster – Für Heilpraktiker in Deutschland gibt es keine verbindliche Berufsordnung. Ihre Zulassung hängt lediglich von einer amtlichen Überprüfung ab, die klären soll, ob von ihrer Arbeit „eine Gefahr für die Volksgesundheit“ ausgeht. Eine Expertengruppe, der „Münsteraner Kreis“, macht nun Vorschläge für eine umfassende Reform.

Das „Münsteraner Memorandum Heilpraktiker“ skizziert zwei Lösungsansätze. Die Abschaffung des Heilpraktikerberufs oder dessen Ablösung durch eine Einführung spezialisierter „Fach-Heilpraktiker“ als Zusatzqualifikation für bestehende Gesundheitsfachberufe (Mehr dazu im Deutschen Ärzteblatt, Ausgabe 33/34).

 
 

Heilpraktikerwesen: Selbstbestimmung und Gefahr

Eine interdisziplinäre und unabhängige Expertengruppe, der „Münsteraner Kreis“, hat Vorschläge erarbeitet, wie eine – auch vom Gesetzgeber angestrebte – Neuregelung des Heilpraktikerwesens in Deutschland aussehen könnte. In Österreich ist das Heilpraktikerwesen verboten, in anderen europäischen Staaten wird es stark reguliert. Anders in Deutschland: Hier genießen Heilpraktiker weitestgehende [...]

„Im Lauf der Jahre ist bei meinen Mitarbeitern und mir das dringende Bedürfnis entstanden, der Problematik von Alternativmedizin auf den Grund zu gehen“, betonte Bettina Schöne-Seifert, Professorin für Medizinethik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU).

 

Aus diesem Grund hatte sie im Juni 2016 ausgewiesene Experten der Komplementären und Alternativen Medizin (KAM) verschiedener Fachrichtungen nach Münster eingeladen, um über KAM und das Heilpraktikerwesen zu diskutieren. Einige Experten des daraufhin gegründeten „Münsteraner Kreises“ brachten dazu ihre eigenen Forschungsergebnisse zu den von Heilpraktikern angebotenen Verfahren sowie der Motivation der Patienten ein.

Man habe ausloten wollen, wie ein solidarisches Gesundheitswesen verantwortlich und fair mit dem „Clash zwischen gefährlicher Pseudowissenschaft und Selbstbestimmung umgehen sollte“, sagte Schöne-Seifert.

Bereits vor gut einem Jahr hatte die Bundesregierung erklärt, die Zulassungsregeln für Heilpraktiker überprüfen zu wollen. Zuvor hatte es mehrere Todesfälle bei Patienten eines alternativen Krebszentrums am Niederrhein gegeben. Ein Heilpraktiker hatte sie mit einem nicht als Medikament zugelassenen Stoff behandelt, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern nach wie vor an. © mn/EB/afp/aerzteblatt.de

Deutsches Ärzteblatt print
aerzteblatt.de
 
Dazu 4 Leserbriefe:
 
Gunthard Heller
am Dienstag, 22. August 2017, 16:25
 
Ich finde Ihre Vorschläge sehr gut. Sachlich und zielführend. So könnte man es machen.

Leider wird es so nicht kommen. Die "Expertengruppe ohne Experten" verfolgt offensichtlich nicht das Ziel, Heilpraktiker zu einer qualifizierteren Berufsgruppe zu machen. Diese Gruppe zielt eindeutig nur darauf ab, den Heilpraktiker in der Öffentlichkeit zu diffamieren. Warum sonst finden sich im Memorandum so viele sachliche und rechtliche Falschaussagen? Warum sonst ist dieses Memorandum so populistisch verfasst? Warum wurde kein einziger Vertreter der Heilpraktikerverbände angehört? Das Ganze hat den Charakter einer Hetzschrift, um unliebsame Konkurrenz loszuwerden. Die Gelegenheit ist günstig, bald sind Bundestagswahlen.

Eine Aufwertung des Heilpraktikerberufes ist nicht gewünscht. Er soll weg, er muss weg, bevor er noch mehr finanziellen Schaden in den Arztpraxen anrichtet. Denn hauptsächlich da liegt die Gefahr der Heilpraktiker, sie sind schlicht unliebsame Konkurrenz.

Wie gefährlich Heilpraktiker tatsächlich sind, lässt sich sicher auch an der Höhe der Kosten für Berufshaftpflicht festmachen. Sie liegt bei Heilpraktikern bei ca. 10 € monatlich. Das eine Versicherung die Prämie anhand des Schadenaufkommens festmacht, wird wohl jeder wissen.

Zusätzlich empfehle ich die Lektüre des Berichtes "Ungeduldige Ärzte, falsche Anreize", die man über Google finden kann.

Kurzum, Heilpraktiker helfen vielen Menschen. Und es ist ein Irrglaube, dass nach dem geforderten Verbot die ganzen "abtrünnigen" Patienten wieder zu ihren Ärzten laufen, die ihnen vorher auch schon nicht helfen konnten. Es seihe denn, die Ärzteschaft böte auf einmal auch ein naturheilkundliches Angebot. Ein Schelm, wer dann rein finanzielle Interessen dahinter vermutet. Was denken sich die Experten eigentlich, wie dumm die Patienten sind, dass man sie auf diesem Wege einfach entmündigen könnte?

Jeder seriöse Heilpraktiker arbeitet gerne und aufgeschlossen mit dem Arzt des jeweiligen Patienten zusammen. Und oft klappt das auch ganz hervorragend, zum Wohle des Patienten. Anscheinend hat die Münsteraner "Expertengruppe" ihre Hausaufgaben eher schlecht bis gar nicht gemacht. Das ist echt peinlich.
 
MunichHealth
am Dienstag, 22. August 2017, 13:12
 

Was ist das Ziel?

Wenn das Ziel der Expertengruppe die Ausbildung ist, dann müsste ein Vorschlag doch folgendermaßen aussehen. Regulieren Sie die Ausbildung und setzen Sie die Zulassungshürden etwas höher. Es gibt in Deutschland ein ausgeprägtes System an Heilpraktikerschulen, an denen die medizinische Ausbildung gelehrt und auf die Prüfung vorbereitet wird. Da einer der Hauptkritikpunkte auf der Ausbildung liegt, sollte man das "so oder so" bereits gelebte in ein Gesetz gießen. Die Ausbildung hat an einer Schule zu erfolgen, die dann auf die Staatliche! Prüfung vorbereitet. Alle anderen Vorschläge, wie abschaffen oder deutlich eingrenzen, zeigt die wahre Intention der Gruppe - sich einer erfologreichen Konkurrenz zu entledigen. Am besten fangen wir einmal bei den 17.000 Ärztefehlern im Jahr an. Warum gibt es in Kliniken keine genormten Checklisten zu Arbeitsabläufen, wie beispielsweise im Cokcpit um Fehler zu vermeiden. Wieso darf ein Assistenzarzt in den moisten Fällen seinem Chefarzt nicht widersprechen, um durch eine Diskussion vielleicht zu einer besseren Lösung zu finden. Vielleicht hilft auch hier ein Blick in einen Beruf der genauso wenig Fehler veträgt - den Pilotenjob. Aber das ist hier ja nicht das Thema. In aller Kürze: Ausbildung kann man starker regulieren (dann wird das bereits gelebte in ein Gesetz gegossen), aber Vorschläge wie abschaffen sind wirklich sehr daneben und lassen die Intention der Verfasser all zu deutlich durchscheinen.

Ich habe bereits ein Studium hinter mir und arbeite erfolgreich in meinem Job. Dennoch verfolge ich mein Interessensgebiet die Medizin über die Heilpraktikerausbildung. Auf die Prüfung bereite ich mich seit 2,5 Jahren vor (Schulbesuch). Aktuell mit einer intensiven Vorbereitung auf die Prüfung. Das ist alles andere als eine einfache Prüfung, die man geschenkt bekommt, sondern erfolgt letzlich durch den Amtsarzt! Ich finde es fast schon erschreckend, wie hier auch die Amtsärzte diskreditiert werden, die die Prüfung ja abnehmen.

Die Regulierung der Ausbildung war ja bereits letztes Jahr schon in Diskussion (aufgrund der Todesfälle, bei der ein HP u.a. gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen hatte). Hier gab eine Anhörung, bei der die Ärztekammer gegen eine weitere Regulierung der Ausbildung war, da diese den Beruf ja weiter aufwerten würde und damit weiterhin Konkurrenz machen würde. Ich habe einige Ärzte in meinem Freundeskreis und alle unterstützen meine Ausbildung. Von allen kam die Aussage, dass sie sich dann lieber bei mir behandeln lassen wollen, als von Kollegen. Vielleicht sollte man eher mal die Ökonomisierung des Gesundheitssystem hinterfragen, in dem nur noch Kosten zählen und nicht mehr der Mensch (wie viele Ärzte bezeugen können). Beispielsweise nachzulesen in einem Interview pensionierter Ärzte bei der Süddeutschen.

In Summe wirkt die Veröffentlichung wie ein Hilfeschrei, der deutlich aufzeigt was im regulären Medizinbetrieb falsch läuft. Nur weil Heilprakitiker scheinbar besser auf den Menschen eingehen und mehr und mehr Zulauf haben, obwohl der Patient selbst zahlen muss, kann man doch nicht nach deren Abschaffung verlangen. Vielmehr ware es doch notwendig sich ein mal zu hinterfragen, warum viele Patienten immer mehr und mehr das Vertrauen in die reguläre Medizin verlieren.

 

Friedericke
am Dienstag, 22. August 2017, 09:04:
 

Sehr kritisch

Ich bin Mitte 50 und inzwischen drei Mal Opfer ärztlicher Kunstfehler geworden. Diese waren teilweise so gravierend, dass für mich daraus lebenslange gesundheitliche Beeinträchtigungen resultieren. In keinem Fall hat einer der behandelnden Ärzte den Anstand besessen für die Folgen seines Tuns einzustehen.

Vor zwei Jahren hatte ich erhebliche gastro-intestinale Beschwerden. Daraufhin habe ich eine entsprechende, an ein Krankenhaus angegliederte Praxis aufgesucht, in der mir ohne Anamnese die behandelnde Ärztin eine Darmspiegelung empfahl, bei der dann auch gleich eventuell vorhandene Divertikel entfernt werden könnten wozu ich doch bitte gleich meine Einwilligung geben solle. Meine vorgetragenen Bedenken und die Frage nach Alternativen interessierten sichtlich nicht.

Daraufhin habe ich eine erfahrene Heilpraktikerin aufgesucht, die meinen Beschwerden auf den Grund gegangen ist. Ich bin seit zwei Jahren beschwerdefrei.

Was nun die Kosten für das Gesundheitswesen anbetrifft: meine Fehlbehandlungen mit den erforderlich gewordenen Folge OPs bzw Rehamassnahmen sind die Versichertengemeinschaft teuer zu stehen gekommen, ganz abgesehen davon, dass sie mich zweimal fast das Leben gekostet hätten.
Meine Heilpraktikerbesuche habe ich selber bezahlt und dafür inkl Medikamente ca € 120 aufgewendet.

Ich bin eine mündige Bürgerin, komme aus einem Arzthaushalt und traue mir durchaus zu, beurteilen zu können, wem ich mich anvertraue und situativ richtig zu handeln.
So zu tun, als kämen nur durch unfähige Heilpraktiker Menschen zu Schaden und nicht durch unfähige Ärzte halte ich für absurd, es zeugt auch von einer völlig unkritischen Selbstwahrnehmung. Ich finde das schlicht atemberaubend.

Wie wäre es mit mehr Selbstkritik und kehren vor der eigenen Tür, bevor man vor der des Nachbarn kehrt?
Wie wäre es ausserdem mit mehr bürgerlicher Selbstbestimmung? Wir brauchen nicht dauernd Jemanden, der es vermeintlich gut mit uns meint und zu unserem Wohl weiter Gesetze und Verordnungen erlässt. Wir können im Zweifelsfall selbst entscheiden, das Recht zum Irrtum inkludiert.
 
Karsten Erdfelder
am Montag, 21. August 2017, 14:20
 

Abschaffung des Heilpraktikerberufes wie bei den Dentisten?

Ein Auszug aus dem zitierten "Memorandum" zur Abschaffung des Heilpraktikerberufes: "Die Abschaffungslösung bestünde darin, den staatlich geschützten Beruf des Heilpraktikers zu annullieren. Als Vorbild könnte dabei die Neustrukturierung der bundesdeutschen Zahnheilkunde im Jahr 1952 dienen. In deren Rahmen wurde der Ausbildungsberuf „Dentist” (Zahntechniker mit nicht-akademischer Weiterbildung) zu Gunsten des akademisch ausgebildeten Zahnarztes abgeschafft." Als 1952 das Zahnheilkundegesetz eingeführt wurde, haben die 15.000 Dentisten allerdings eine 60-stündige qualifizierende Schulung durchlaufen und damit eine ordentliche zahnärztliche Approbation erworben. Machen wir das dann mit den bereits exisitierenden Heilpraktikern genauso? Zusatzkurs und ärztliche Approbation?
 
Ende Artikel und Leserbriefe.

 

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